Ein Gerichtsurteil hat grundsätzlich nur im Land, in dem es ergangen ist, rechtliche Wirkung. Das bedeutet, dass ein polnisches Gerichtsurteil nur auf dem Territorium Polens vollstreckbar ist. Ebenso gilt ein ausländisches Gerichtsurteil nur im Land, in dem es ergangen ist. Die Entwicklung der internationalen Handelsbeziehungen und das Bedürfnis, einen effektiven rechtlichen Schutz auf globaler Ebene zu gewährleisten, haben jedoch Mechanismen hervorgebracht, die es ermöglichen, die Wirkung solcher Urteile über die Grenzen des Ursprungslandes hinaus auszudehnen.
Um in Polen effektiv Ansprüche aufgrund eines ausländischen Urteils durchzusetzen, ist es entscheidend, den Unterschied zwischen der Anerkennung des Urteils und der Feststellung seiner Vollstreckbarkeit zu verstehen. Die Anerkennung eines ausländischen Urteils bedeutet, dass dieses Urteil wie ein polnisches Gerichtsurteil behandelt wird und die gleichen rechtlichen Auswirkungen hat. Die Feststellung der Vollstreckbarkeit des Urteils ist erforderlich, wenn man die Vollstreckung des Urteils auf polnischem Staatsgebiet durchführen möchte.
Zwei Wege zur Vollstreckung eines ausländischen Urteils
Im Rahmen der EU-Regelungen gibt es zwei Methoden, um die Vollstreckung eines Urteils, das im Ausland ergangen ist, in einem anderen Mitgliedstaat zu erreichen. Der erste Weg ist die Erlangung eines Europäischen Vollstreckungstitels (EVT) im Inland, in dem das Urteil ergangen ist, das im Ausland vollgestreckt werden soll. Die Erlangung eines solchen Titels ist ein unkomplizierter Prozess. Es reicht wenn ein Gläubiger im Land des Urteils sich an das zuständige Gericht oder die zuständige Behörde wendet, um diesen Titel zu erhalten und legt anschließend das Urteil zusammen mit dem Europäischen Vollstreckungstitel im Land der Vollstreckung vor. Es ist jedoch zu beachten, dass der Europäische Vollstreckungstitel nicht in allen EU-Mitgliedstaaten Anwendung findet; eine Ausnahme bildet Dänemark. Wichtig ist, dass der Europäische Vollstreckungstitel nur dann erteilt werden kann, wenn es sich um eine unbestrittene Geldforderung in einer zivil- oder handelsrechtlichen Sachverhalten handelt.
Der zweite Weg zur Vollstreckung eines Urteils, das außerhalb des Vollstreckungslandes ergangen ist, ist die Nutzung der Mechanismen, die in der Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2012 (Brüssel I bis) festgelegt sind. Diese Verordnung führt vereinfachte und harmonisierte Regeln für die Anerkennung und Vollstreckung von Urteilen der Gerichte der Mitgliedstaaten der Europäischen Union in grenzüberschreitenden zivil- und handelsrechtlichen Sachverhalten ein. Das Verfahren besteht aus mehreren Schritten:
- Die Anerkennung des Urteils
Das aus einem anderen EU-Mitgliedstaat stammende Urteil wird automatisch anerkannt und erfordert kein separates Verfahren. Es wird behandelt, als ob es von einem polnischen Gericht erlassen worden wäre, was bedeutet, dass es die gleichen rechtlichen Auswirkungen hat. - Die Vollstreckbarkeit des Urteils
Die Verordnung stellt sicher, dass Urteile automatisch vollstreckbar sind, ohne dass ein gesondertes Verfahren zur Erlangung eines Vollstreckungstitels erforderlich ist. Das bedeutet, dass, wenn ein Urteil im Ursprungsstaat vollstreckbar ist, es in jedem anderen EU-Mitgliedstaat ebenfalls vollstreckbar ist, ohne dass der Gläubiger zusätzliche Schritte unternehmen muss. - Die Vollstreckung des Urteils
Die Verordnung sieht vor, dass die Vollstreckung des Urteils grundsätzlich den Vorschriften des Landes unterliegt, in dem die Vollstreckung erfolgt. Das bedeutet, dass ein deutscher Gläubiger, der ein in Berlin ergangenes Urteil in Polen vollstrecken möchte, die polnischen Vorschriften zur Vollstreckung anwenden sollte, es sei denn, die EU-Verordnung regelt den betreffenden Punkt autonom.
Welche Dokumente hat der Gläubiger vorzulegen?
Um ein ausländisches Urteil in Polen tatsächlich vollstrecken zu lassen, muss der Gläubiger dem Vollstreckungsorgan (d.h. dem Gerichtsvollzieher) folgende Dokumente vorlegen:
- eine Ausfertigung der Entscheidung, die die für ihre Beweiskraft erforderlichen Voraussetzungen erfüllt;
- eine Bescheinigung des Gerichts, das die Entscheidung erlassen hat, mit der bestätigt wird, dass die Entscheidung vollstreckbar ist, und die einen Auszug aus der Entscheidung sowie gegebenenfalls relevante Angaben zu den erstattungsfähigen Kosten des Verfahrens und der Berechnung der Zinsen enthält. Diese Bescheinigung wird auf dem Formular ausgestellt, das im Anhang I der betreffenden Verordnung festgelegt ist. Ein wesentlicher Bestandteil der Bescheinigung sind Informationen darüber, in welchem Umfang das Urteil im Ursprungsstaat vollstreckbar ist, da es in diesem Umfang auch im anderen Staat vollstreckbar sein wird.
Das Vollstreckungsorgan kann von dem Antragsteller verlangen, dass er eine Übersetzung oder Transliteration (d.h. die Ersetzung von Zeichen eines Alphabets durch Zeichen des in einem anderen Land gültigen Alphabets) der Bescheinigung vorlegt, wobei eine Übersetzung des Urteils nur verlangt werden kann, wenn das Vollstreckungsorgan ohne diese Übersetzung das Verfahren nicht durchführen kann. Die Verordnung sieht vor, dass alle Übersetzungen, die auf ihrer Grundlage vorgenommen werden, von einer im Mitgliedstaat zugelassenen Person durchgeführt werden müssen.
In Polen sind Übersetzungsbefugnisse einem vereidigten Übersetzer (gemäß Art. 13 des Gesetzes vom 25. November 2004 über den Beruf des vereidigten Übersetzers) vorbehalten.
Es ist hervorzuheben, dass die Zustellung sämtlicher Dokumente an den Schuldner vom polnischen Vollstreckungsorgan durchgeführt wird, sodass keine Verpflichtung in diesem Bereich für den Gläubiger besteht, außer der üblichen Zusammenarbeit mit dem Gerichtsvollzieher.
Wie können wir Ihnen helfen?
Die Anwendung der Verordnung Brüssel I bis ermöglicht eine schnelle und effektive Anerkennung sowie Vollstreckung von Urteilen aus anderen EU-Mitgliedstaaten. Wenn Sie Zweifel bezüglich der Wahl der geeigneten Vorschriften und Verfahren haben, bietet unsere Kanzlei umfassende rechtliche Unterstützung und Beratung in Bezug auf die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Gerichtsurteile. Kontaktieren Sie uns gerne, um die Einzelheiten Ihres Falls zu besprechen und eine effektive rechtliche Absicherung auf dem polnischen Territorium zu gewährleisten.
Sylwia Sosin, Rechtsanwaltsreferendarin in der Kanzlei Gorazda, Świstuń, Wątroba und Partner Rechtsanwälte und Rechtsberater.